Das Essverhalten unserer Gesellschaft – krankhaft oder unbedenklich?

Eine Geschichte: Es war einmal…

…ein verregneter Sonntag. Du hattest dich hingesetzt und dir Gedanken zu deinem neuen Ernährungsplan gemacht. Das Ziel ganz klar: Strandfigur! Schließlich steht der Sommer vor der Türe. Drei Monate noch bis die Freibadsaison startet und dann soll der Sixpack zu sehen sein. Deshalb hast du alles an Zucker gestrichen. Junkfood gibt es nicht mehr und das Essen wird kleinlich abgewogen.

Auf den Geschmack willst natürlich nicht verzichten deswegen hast du bereits vorausschauend Kistenweise Light und Zerogetränke eingekauft. Mindestausstattung deiner Küche: Süßstoff, um den morgendlichen Kaffee zu süßen und um deinen Lowcarb-Backprodukten den passenden süßen Geschmack zu verpassen.

Es ist Montag, kurz vor Feierabend. Du machst dir Gedanken was du alles mit ins Training nehmen musst. Gegessen hast du schon, weil du die Hauptmahlzeiten bereits am Sonntag vorbereitet hast. Feierabend, die Sporttasche bereits im Auto und auf dem Weg ins Training noch schnell den Preworkout-Shake inklusive Booster verschlungen.

Weil die Diät ansteht und das Ziel klar gesetzt ist: „Drei Monate bis zum Sixpack“, nimmst du das volle Programm. BCAAs, Wheyisolat, Kreatin, L-Arginin, Beta-Alanin, Guarana und alles was dazu gehört. Irgendwer hat schließlich behauptet, dass das Zeug wirkt und schnelle Erfolge verspricht.

Deine durchschnittlichen Ausgaben für Nahrungsergänzungsmittel im Monat liegen bei über 100,- €. Schließlich nimmst du nur das Beste vom Besten.

Im Training machst du die Sporttasche auf und stellst erschreckend fest: „FUCK, ich habe meinen Postworkout-Shake vergessen.“ Über eine Stunde brauchst du nach Hause. Damit ist das anabole Fenster geschlossen.

Kleingeld hast du auch keins mit um im Studio einen Shake zu kaufen. Außerdem ist dort nicht das drin was du für deinen kleinlich geplanten Shake brauchst. Da muss natürlich auch das volle Programm rein.

Trotz niedergeschlagener Stimmung machst du dich doch noch an dein Training. Während dem Training triffst du deine Trainingsbekannten. Wie immer unterhaltet ihr euch über Gott und die Welt.

„Hey hast du die eine oben auf dem Stepper gesehen? Verdammt sieht die heiß aus […]“, „Ey mein Lehrer ist mir heute wieder auf die Nerven gegangen […]“, „Mein Arbeitskollege hat es heute echt gerissen, der hat den Chef auf 180 gebracht… […]“einfach über das alltägliche Leben.

Training? Das ist schon fast Nebensache, es wird mehr Zeit mit Reden oder der Selbstbeweihräucherung im Spiegel als an der Hantelstange verbracht. Hin und wieder ein Satz auf der Bank. Hier und da ein paar Bizepscurls, Klimmzüge und etwas Bauch. Insgesamt 20 Sätze, den Trainingsplan also komplett durchgezogen.

Nach 2 Stunden hast du dein Training geschafft. Trotzdem bist du genervt, weil du deinen Shake nicht hast und damit nicht den vollen Erfolg des Trainings schaffst. Schließlich ist der Plan von deinem Vorbild. Und jeder weiß ja, dass der „Erfolg“ vom anabolen Fenster abhängt.

Auf dem Weg nach Hause, niedergeschlagen und deprimiert, gehst du noch schnell einkaufen. Deine Mitbewohnerin hat dich gebeten ein paar Sachen mitzubringen. Weil das Portmoney klein ist, wird nur bei Aldi oder Lidl eingekauft. Möglichst billig ist die Devise!

Für die Mitbewohnerin kommen in den Einkaufswagen Fertiggerichte, Tütengerichte, die Billig-Brötchen von der Discountmarke auch in der Theke für Milchprodukte und der Fleischtheke werden nur die Discountprodukte eingepackt.

Um Kalorien zu sparen werden außerdem noch Light-Produkte eingekauft. An der Kasse wartest du ewig, weil die Schlange unendlich lang ist. Immer mehr genervt, weil du einfach nur nach Hause zu deinem Shake willst bezahlst du und beeilst dich. Das erste was du zu Hause machst: In die Küche gehen und deinen Shake trinken, mit der Hoffnung, dass es nicht zu spät ist….

Genug erzählt…

Hat sich jemand wiedererkannt oder denkt sich gerade jemand „Oh ja da kenn ich einen“? Ich für meinen Teil erkenne darin mehr als nur einen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass der größte Teil der jungen trainierenden Fitnessbegeisterten solche oder so ähnliche Tagesabläufe haben.

Sicherlich hat nicht jeder das Ziel „Sixpack im Schwimmbad“. Streicht also den akribisch geplanten Ernährungsplan und lasst nur die Aspekte Pre- und Postworkout stehen. Das macht es keines Falls besser. Um nicht nur eine Geschichte erzählt zu haben werde ich im Folgenden auf einige Aspekte eingehen und abschließend gebe ich meine eigene Bewertung und Stellungnahme ab.

Die alte Leier: Der Post- und Pre-Workout Shake ist das wichtigste. Intensität ist einfach zu anstrengend.

Der Post- und Pre-Workout unter Berücksichtigung des Trainings: Für viele mit Sicherheit eine alte Leier. Dennoch führe ich es auf. Immer wieder stelle ich fest, dass sich Leute mehr Gedanken um ihre Shakes vor und nach dem Training, als um das Training selber machen.

Da bekommen die Trainierenden teilweise schon einen panischen Anflug an Hilflosigkeit, wenn sie feststellen, sie können nach dem Training nicht ihren gewohnten Post-Workout zu sich nehmen. Vor allem unter dem Aspekt der Zielsetzung: Das Sixpack für die Freibadsaison um geil auszusehen.

Das ist Schöhnheitswahn auf höchstem Niveau. Es gibt so viele Möglichkeiten den Post-Workout-Shake mit Alternativen auszugleichen oder zu ersetzen. Eine Möglichkeit: Fahr in den nächsten Supermarkt, kauf dir 1 bis 2 Stück Obst und eine natürliche Buttermilch. Der Wahnsinn: kurzkettige Kohlenhydrate und Eiweiße.

Sicherlich, das ist kein Isolat. Das Eiweiß wird mit Sicherheit nicht so schnell verfügbar sein, wie es bei einem Wheyisolat der Fall wäre. Wenn ich mir aber überlege welche Trainingsintensität bei besagter Geschichte entstanden ist, ist es sowas von egal ob du ein Whey(-isolat, -konzentrat, -hydrolisat) oder Eiprotein, pflanzliches Protein oder sogar Casein zu dir nimmst.

Aber nein, anstatt sich darüber Gedanken zu machen wird blind den Vorgaben der Marketingkampange der Sportnahrungsindustrie geglaubt und all das gemacht, was das Vorbild als Profisportler über jegliche Medienkanäle als Bestandteil seines Erfolges kommuniziert. Ey Leute… Das ist als würde ich mit einem Spaceshuttle von München nach Berlin fliegen.

Viel zu oft macht sich der durchschnittliche Sportler in unserer Gesellschaft Gedanken darüber, wie er mit Nahrungsergänzungsmittel besser abnimmt. Gleichzeitig ist das Training aber mehr als mangelhaft. Viel zu oft schaffen diese Leute es nicht15 Minuten am Stück laufen zu gehen. Die Puste ist schnell weg oder aber der innere Schweinehund ruft.

Du verkaufst deinen Körper im Sommerschlussverkauf – Alles muss raus

Bei der Nahrungsergänzung lässt du den Geldbeutel klingeln und bei Lebensmittel greift das Motto Geiz ist Geil. Möglichst nur das billige vom billigen. Das ist natürlich nur logisch: Die nicht essenziellen Dinge im Leben sind wichtiger als die essenziellen Dinge im Leben. Die Wortwahl unterstreicht das natürlich nochmal.

Weil wir Menschen Gewohnheitstiere sind kommt auch immer nur das Gleiche in den Einkaufswagen. Der Klassiker: Geflügel, Reis und bisschen Gemüse. Damit dürft ihr euch in der Küche in die Ecke der Mangelernährung stellen. Direkt neben Suppendiäten und dergleichen.

Damit Lebensmittel günstig sind müssen die Produktionskosten gedrückt werden. Das läuft über Skaleneffekte. Eine Möglichkeit dabei: Längere Haltbarkeit ermöglicht längere Transportwege und somit die Zentralisierung der Produktion in großen Werken. Damit die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängert werden kann, müssen diese aber in irgendeiner Art verarbeitet werden. Das funktioniert fast ausschließlich mit Lebensmittelchemie.

Herzlichen Glückwunsch: Jetzt werden nicht nur chemische Nahrungsergänzungsmittel verzehrt, sondern über die „Geiz ist Geil“ Einstellung auch noch Unmenge an Chemie über die ‚natürlichen‘ Lebensmittel zugeführt.

Der Körper freut sich natürlich riesig darüber für ihn weniger gut verwertbare Stoffe zugeführt zu bekommen. Das sorgt für Leistungsfähigkeit und vor allem Gesundheit.

Drei Bausteine deiner Ernährung

Wenn nicht so, dann anders: Ernährung > Training > Supplementierung

Versteht mich nicht falsch. Ich bin der letzte, der den individuellen Leistungsstand verurteilt. Der Leistungsstand ist, wie er ist. Wesentlich für mich ist der Wille, daran etwas zu ändern. Ich verurteile lediglich eine falsche Herangehensweise, die meist auch noch durch falsche Idole unterstützt wird.

Der erste Baustein: Eine ausgewogene Ernährung – kein Calorie-Counting

Der erste, wesentliche Baustein für deine persönliche und individuelle Zielsetzung ist eine ausgewogene und vernünftige Ernährung. Es ist nicht wichtig die Kalorien kleinlich abzuzählen.

Der wirklich wichtige erste Schritt ist eine ausgewogene (je hochwertiger desto besser) Auswahl an Lebensmitteln. Dazu gehören: Diverse fettige Fische, mageres Fleisch (Rind, Geflügel), Obst und Gemüse (je bunter, desto besser), gesunde tierische und naturbelassene Fette (bspw. Nüsse – kein Getreidefett) und ein paar anständige Kohlenhydratquellen wie Reis oder Kartoffeln.

Und verrückterweise ist der Schritt auch ziemlich einfach.

Der zweite Baustein: Ehrgeiziges und diszipliniertes Training

Wenn du mit einer anständigen Ernährung angefangen hast – und allein die bringt schon einiges an Erfolgen – dann ist das Training deine zweite Baustelle.

Ehrgeizig und diszipliniert sollte es sein. Du musst jeden Satz kleinlich aufschreiben um diszipliniert zu sein. Du musst auch nicht 5x die Woche ins Training zu gehen, um diszipliniert zu sein. Nicht die Häufigkeit des Trainings in der Woche treffen eine Aussage über deine Disziplin sondern deine Herangehensweise an das Training.

Steht für dich das Socialising im Mittelpunkt oder konzentrierst du dich darauf deine Übungen vernünftig, schnell und konzentriert durchzuziehen. Das ist dein Garant für deinen persönlichen Erfolg.

Der dritte Baustein: Supplementierung – Das unwichtigste an der ganzen Sache

Sei ehrlich zu dir selbst. Warum fokussierst du dich so sehr auf das Supplementieren. Es gibt Beispiele wie Sand am Meer, die Leistungsfähigkeit vorleben ohne Unmengen an Supplementen zu verzehren.

Es gibt manche Nahrungsergänzungsmittel die durchaus zweckmäßig sind und für manche Personenkreise auch essenziell. Ich spreche dabei aber nicht von Workout-Boostern oder der kompletten Bandbreite an vorhandenen Aminosäuren als Ergänzungsmittel. Viel mehr sind das Omega-3 Fettsäuren (Fischöl), eventuell Zink und ein paar andere Kleinigkeiten.

Aber das ist individuell zu betrachten und 99,99999999999% sind gaaaaaaanz weit weg davon.

Ernährungsverhalten der Gesellschaft – bedenklich, absolut!

Ich für mich sehe diese Entwicklung bedenklich. Vor einigen Jahren haben wir uns über den Schönheitswahn der Modells Gedanken macht – tun es auch heute noch. Die für mich viel gefährlichere Entwicklung findet mehr und mehr in der breiten Masse statt. Dort, wo es keinem so wirklich auffällt. Dem Freizeitsportler, egal ob in der Box, im Hardcore Gym oder im Highsociety oder Discount Fitnessstudio.

Seid ehrlich zu euch selbst und wenn ihr euch wiedererkannt habt, hoffe ich, dass euch dieser Artikel zumindest zum Denken angeregt hat.

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Statement: Metabolic Balance – ein überteuertes Konzept

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