Revolution vs. Evolution

Revolution kommt aus dem Spätlateinischen revolutio was so viel bedeutet wie „das Zurückwälzen, die Umdrehung“. Man versteht darunter einen grundlegenden und nachhaltigen strukturellen Wandel eines oder mehrerer System, der meist abrupt oder in kurzer Zeit stattfindet.

Evolution ist die Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Generation zu Generation.

Schöner Einstieg, aber was hat das mit der Thematik des Blogs zu tun? Vergangene Woche hat sich eine Frage zur optischen Verbesserung des Bauchs in eine Diskussion verstrickt. Ganz kurz zusammengefasst kann man sagen, dass sich der Inhalt der Diskussion mitunter mit der Frage des besten Weges zur Körperfettreduzierung beschäftigte. Dabei stand die Lowcarb Ernährungsweise und vor allem eine nachhaltige Ernährungsumstellung natürlich ganz hoch im Kurs.

Das Problem das ich nur zumeist an solchen Ratschlägen sehe: Sie zwingen den Klienten oder die interessierte Person in eine revolutionsartige Veränderung der eigenen Lebensweise und diese findet meist auf Basis von gefährlichem Halbwissen statt. Nicht jeder kann Verhaltensmuster von heute auf morgen verändern. JA es gibt Beispiele bei denen das klappt. Es ist aber immer die Frage zu stellen wie es dazu gekommen ist. Dazu zwei Beispiele:

Eine mir bekannte Person hat ein sehr fragwürdiges Ernährungsverhalten an den Tag gelegt: Sehr viel Alkohol, viel Stress und kein Ausgleich, sehr fettiges und kohlenhydratreiches Essen und viel Nikotinkonsum. Eines Tages erlitt diese Person einen Herzinfarkt in einem relativ jungen Alter. Kurz darauf hat diese Person ein Verhalten radikal geändert, hin zu einer ausgewogenen, bewussten und gesunden Ernährungsweise. Von heute auf morgen. Dafür bedurfte es aber eines radikalen Ereignisses, eines Schockereignisses. Aus eigenem Antrieb wäre es zu dieser Veränderung höchstwahrscheinlich nicht gekommen.

Ich nehme mich selbst als Beispiel: Seit nunmehr über 6 Jahren setze ich mich mit Ernährung auseinander. Ich überdenke mein eigenes Essverhalten, probiere aus und lese mir Wissen an. Angefangen hat meine Ernährungsumstellung damit, dass ich einfach nur die Butter beim morgendlichen Frühstück weg gelassen habe. Allein dies hat zu einer optischen Veränderung geführt. Sie war nicht groß, aber sie hat stattgefunden. Ich habe angefangen darauf zu achten immer Eiweiß in meine Mahlzeiten einzubauen und nach und nach Süßigkeiten gestrichen. Das alles hat Stück für Stück stattgefunden und trotzdem gab es Phasen, manchmal vereinzelte Tage, manchmal Wochen aber auch mehrere Monate, in denen ich in mein altes Essverhalten zurückgefallen bin. Auch heute erlebe ich noch Tage, an denen ich mich dabei erwische anstatt das Obst als Nachtisch, den Kuchen oder Pudding zu nehmen oder gar ganze Tage, an denen ich mich mit ‚Mist‘ vollstopfe. Das entscheidende hierbei jedoch ist: Es ist die Ausnahme und mit Masse bleibe ich mittlerweile meinem Kurs treu. Aber ebenso wichtig ist, diese nachhaltige Veränderung hat nicht von heute auf morgen revolutionsartig stattgefunden sondern stückchenweise, eher evolutionsartig.

Es gab vor einiger Zeit einen Artikel im Spiegel (glaube ich). Dieser behandelte ‚fettleibige‘ Prominente und in Zuge dieses Artikels lief die Argumentationskette über eine psychologische Abhängigkeit. Menschen, die ihr Leben lang mit Kohlenhydraten aufgewachsen sind und über Jahre hinweg kohlenhydratreich gegessen haben, haben eine psychische Abhängigkeit entwickelt – so in etwa die Aussage des Artikels. Ob das nun stimmt oder nicht sei mal dahin gestellt. Das für mich wichtige an dieser Argumentationskette ist, dass diese aufzeigt wie wichtig es sein kann, Menschen Stück für Stück an eine Entwicklung heran zu tasten.

Auch in der geschichtlichen Entwicklung haben Revolutionen zumeist mehr Opfer gefordert als notwendig gewesen wäre und das eigentliche Ziel der Revolution wurde verfehlt. Betrachtet man die Französische Revolution, so ist das Land nach dem Sturm auf die Bastille und dem Strukturwechsel in Chaos und noch mehr Leid gestürzt worden. Erst über Jahrhunderte hinweg und weitere Revolutionsartige Veränderungen sowie Schockereignisse hat die westlich europäische Welt den jetzigen Kurs eingeschlagen. Ein ganz wesentliches und entscheidendes Merkmal, welches diese Entwicklungen ermöglicht hat: Wissen und Erfahrung und doch sehen wir auch heute immer wieder revolutionsartiges Verhalten im gesellschaftlich/kulturellen Kontext, welches Gegenrevolutionen erzeugt.

Was möchte ich damit sagen…? Der Ratgeber selbst hat sehr wahrscheinlich bereits eine Entwicklung durch gemacht und sich höchstwahrscheinlich das nötige Wissen angeeignet sowie Erfahrungen gesammelt. Wenn noch höchst unerfahrene Ratsuchende zu einem kommen, so darf man nicht vergessen wie man selbst angefangen hat und erst recht nicht das eigene Wissen sowie die eigene Erfahrung als gegeben voraussetzen. Gerade in unserer Gesellschaft wird zwar immer wieder gesunde und nachhaltige Ernährung thematisiert, doch wird es meist noch sehr stiefmütterlich behandelt so das ein großer Teil zwar viel weiß aber doch nichts weiß. An dieser Stelle sei nur ein ‚Fehler‘ genannt, über welchen ich letzte Woche erst geschrieben habe: Die Umstellung auf eine Lowcarb-Ernährung und die fehlende Anpassung der Makronährstoffe Fett und/oder Eiweiß. Jemand der sich mit Ernährung auskennt, der weiß das. Jemand der nur isst und sich Ratschläge sucht, was er verändern könnte um das eigene Erscheinungsbild zu verändern, der weiß das für gewöhnlich nicht. Es lohnt sich also oftmals dem Grundgedanken der Evolution zu folgen und Veränderungen Stück für Stück einzuführen als im Sinne einer Revolution mit dem Brecheisen durch die Wand zu gehen und alles niederzuschlagen, was nicht dem eigenen Kurs entspricht. Eine individuelle Betrachtung des Verhaltens lässt dann wiederum einen Rückschluss zu, wie stark oder „extrem“ eine Veränderung stattfinden kann

Fett im Ausdauersport – Notwendig oder Überflüssig?
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