Soldatische Basis – Warum Soldaten ihr Training überdenken sollten

Krasse Soldaten besitzen körperlich vielfältige Fertigkeiten!

Ich bin seit 2009 Soldat bei der Bundeswehr. Inklusive meiner vier Jahre Studium habe ich in den vergangenen 7,5 Jahren 9 Standorte kennengelernt. Nicht an jedem Standort hat mein Training im Kraftraum einen Schwerpunkt genossen aber zumindest habe ich den Kraftraum und die Sportanlagen an jedem Standort kennengelernt.

Dabei habe ich immer wieder Kameraden bei ihrem Training beobachten können. Unter Berücksichtigung meiner eigens gemachten Erfahrung im Bereich Sport, Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und vor allem spezifisch im Krafttraining, muss ich festhalten: Der Großteil trainiert falsch! Es fängt bei der Trainingsplanung an und hört bei der Auswahl der Übung und der Übungsausführung auf.

Soldaten sind körperliche Generalisten, keine Spezialisten – CrossFit lässt grüßen!

Als Grundlage meiner Argumentation muss ich die körperlichen Anforderungen an einen Soldaten definieren – zumindest wie ich sie sehe. Dabei beziehe ich mich auf jeden Soldaten. Ich betone an dieser Stelle: JedenSoldaten.

Werfen wir einen Blick auf das alltägliche Geschäft des durchschnittlichen Soldaten. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass der durchschnittliche Soldat (betrachten wir die Zusammensetzung der Streitkräfte) kein Soldat ist, der im Schwerpunkt einen Kampfauftrag hat. Der überwiegende Teil der Soldaten hat einen Unterstützungsauftrag.

Für die Laien unter uns: Diese Soldaten schaffen die Voraussetzung dafür, dass der Soldat mit Kampfauftrag auch kämpfen kann. Beispielsweise sind sie verantwortlich für den Nachschub, also die Logistik oder die Instandsetzung und vieles mehr. Diese Tatsache befreit sie aber nicht davon, kämpfen zu können. Nur der Schwerpunkt des Auftrages ist ein anderer.

Soldaten haben ein sehr unterschiedliches Bewegungsverhalten.

Wieder zurück zum Thema. Der Alltag im Friedensdienst ist durch unterschiedliche Tätigkeiten geprägt. Verwaltung, Vorbereitung von Ausbildungen und Übungsvorhaben, die Ausbildung und das Übungsvorhaben selbst und die Nachbereitung, wieder gefolgt von Verwaltung. Dann geht das ganze Spiel von vorne los.

Wir werfen einen Blick auf die Bewegungsmuster, mit welchen Soldaten konfrontiert werden – hier als Tabelle (nicht verbindlich, nur zur vereinfachten Darstellung genutzt). Es fällt auf, dass es ein sehr unterschiedliches Bewegungsverhalten ist.

Verwaltung Büroarbeit, sitzend
Vorbereitung Büroarbeit, sitzend Unterrichte, sitzend Teilweise stehend, geringer Anteil an Bewegung
Durchführung Ausbildung / Übungsvorhaben Abhängig vom Schwerpunkt von Überwiegend sitzender Tätigkeit mit wenig Bewegung bis hin zu hochintensiven Belastungsspitzen mit Zusatzausrüstung, Sprints, Sprung- und Wurfbewegungen, und vieles mehr
Nachbereitung Teilweise stehend, geringerer Anteil an Bewegung Büroarbeit sitzend
Verwaltung Büroarbeit, sitzend
Körperliche Intensität im Verhältnis zur Zeit

Belastungsspitzen sind kurz, intensiv und konfrontieren den Soldaten mit hohen Zusatzlasten.

Im Zuge der Durchführung von Übungsvorhaben ist teilweise eine überdurchschnittliche körperliche Leistungsfähigkeit gefordert.

Ich formuliere es anders: Wenn es zu Belastungsspitzen mit Zusatzausrüstung kommt, ist eine überdurchschnittliche körperliche Leistungsfähigkeit verlangt. Diese Belastungsspitzen können unterschiedlich sein. Sie liegen zwischen hochintensiven und kurzen Belastungen und gehen bis hin zu moderaten Belastungen über einen längeren Zeitraum. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den hochintensiven und kurzen Belastungsspitzen.

Ich spreche von kurzen Sprints in dem ich von Stellung zu Stellung renne, in dem ich anderen Soldaten zu Hilfe renne im Sinne der Erst- und Kameradenhilfe bis zu Belastungsspitzen von 20 bis 30 Minuten schwerer körperlicher Arbeit. Deshalb ist das klassische Bild der langen und weiten Dauerläufe, wie es in vielen Köpfen vorherrscht, aus meiner Sicht schlichtweg falsch.

Allerdings bezieht sich das nur auf ganz geringe Auszüge der abverlangten körperlichen Leistungsfähigkeit eines Soldaten. Im Durchschnitt (ihr Infanteristen seid nicht der Durchschnitt!) ist das abverlangte Bewegungsmuster von Soldaten im Dienst ein sitzendes.

Der Alleskönner für Soldaten – Die CrossFit-Methodik

Diese Tatsache sollte niemanden dazu bringen, sich auf seine faule Haut zu legen – auch dich nicht. Vielleicht gehst du einer überwiegend sitzenden Tätigkeit nach. Trotzdem bist du Soldat und es wird der Tag kommen, da interessiert sich niemand dafür, ob du für die Büroarbeit ausgebildet wurdest. Du hast eine Uniform an und damit bist du zunächst Soldat wie alle anderen Soldaten.

Die CrossFit-Methodik bietet dir, sowie jedem anderen, eine gute Trainingsmethodik. Das ergibt sich allein durch die Zielsetzung „Auf das unvorbereitete bestmöglich vorbereitet zu sein“. Auch aus der Definition heraus „sich ständig variierende funktionelle Bewegungsmuster ausgeführt unter hoher Intensität“ lässt sich ableiten, dass die Methodik genau unsere Bedürfnisse abdeckt. Wenn man es richtig umsetzt.

Falsch verstandene Methodik führt zur falschen Umsetzung und das zum Scheitern.

Interessanterweise ist der Begriff CrossFit ja bereits in die Bundeswehr eingezogen. Egal wo ich hin komme, jeder hat es schon einmal gehört. Überall wird auch behauptet „WIR machen CrossFit“. In der Realität zeigt sich dann, dass dieses „CrossFit“ nichts anderes als ein Zirkeltraining ist.

An dieser Stelle muss ich dich enttäuschen, wenn du auch dazu gehörst. CrossFit ist nicht Zirkeltraining. Anders herum ist das klassische Zirkeltraining eine KOMPONENTE der CrossFit-Methodik.

Mit einem Zirkeltraining wirst du nicht alle 10 physischen Grundfertigkeiten gleichermaßen entwickeln können. Du wirst mit einem Zirkeltraining auch nur einen von drei Energiegewinnungswegen trainieren. Das am häufigsten vergessene und ignorierte ist das Training mit schwerer Last im niedrigen Wiederholungsbereich zu Verbesserung der Maximalkraft. Aber auch dieses Training gehört zur CrossFit-Methodik dazu.

Damit will ich es an dieser Stelle zunächst belassen und den Fokus wieder zurück auf das viel praktizierte Training von Soldaten und deren überwiegende Tätigkeit legen.

Soldaten haben und der Nachwuchs kommt bereits mit einem störungsanfälligen Körper

Aus der zuvor angesprochenen überwiegend sitzenden Tätigkeit entstehen potentielle Störungsmuster in den Faszienstrukturen.

Diese Störungsmuster werden nicht erst durch die Berufswahl Soldat hervorgerufen. Sie sind bereits vorhanden. Wahrscheinlicher ist, dass diese Störungsmuster bisher nur noch nicht aufgetaucht sind oder wahrgenommen wurden.

Unsere Gesellschaft macht unseren Soldaten Nachwuchs krank.

Die Grundlagen solcher Störungen werden schon viel früher gelegt. In der Schule, zu Hause, ganz allgemein durch unser Freizeitverhalten. Wer in unserer Gesellschaft schafft es heute noch seine hüftstreckende Muskulatur richtig anzusprechen, anzuspannen und die Spannung zu halten oder wer streckt denn seine Hüfte überhaupt noch vernünftig und regelmäßig?

Wie viele der jungen heranwachsenden unserer Gesellschaft können noch einen vernünftigen Purzelbaum? Der Anteil wird auf jeden Fall merklich geringer. Darin zeichnet sich auch der Nachwuchs der Bundeswehr aus. Soldaten rekrutieren sich aus der Gesellschaft. Damit ist die Bundeswehr immer ein repräsentativer Querschnitt der Gesellschaft. Deshalb ist das auch kein Verschulden der Bundeswehr. Das liegt in der Sache der Natur.

Daraus schlussfolgere ich: Der durchschnittliche Soldat hat oder zukünftige Soldat kommt mit einer eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit, weil Störungsmuster am Bewegungsapparat bereits vorhanden sind.

Das bedeutet bei Soldaten und zukünftigen Soldaten liegen bereits Einschränkungen der Bewegungsintelligenz vor. Viele haben, vielleicht auch du, bereits eine Bewegungsamnesie. Dadurch verlernen wir die Ansteuerung und Funktion von GelenkenDas Gewebe um diese Gelenke verklebt. Daraus resultiert ein störungs- und verletzungsanfälliger Körper.

Soldaten unterstützen mit Ihrem Training vorhandene Störungsmuster.

Das Training im Kraftraum setzt sich oft aus Isolationsübungen zusammen. Dicke Muskeln sind dem Soldaten wichtig. Das in der Szene von mir als klassisches Bodybuilding bezeichnete Training wird durch Soldaten praktiziert. Dabei wird auch auf ein geführtes Training zurückgegriffen. Falsch verstandene Techniken zur Steigerung der Intensität wie bspw. die Partial Reps stehen im Vordergrund.

Selten wird in anderen Bereichen als nur der Hypertrophie trainiert. Der Faktor der isolierten und geführten Bewegung in Verbindung mit Partial Reps sind hier das Kill-Kriterium.

Während sich der Körper bereits in einem Zustand der Bewegungsamnesie befindet, wird er durch dieses Training zusätzlich dumm gehalten.

Ein weiterer Klassiker ist das Lauftraining. Viele gehen laufen, indem sie einfachen ihre Runde auf der Laufstrecke drehen. Über Lauftechnik machen sie sich keine Gedanken. Ein zielgerichtetes Training zur Verbesserung der Lauftechnik gibt es nicht. Auch durch falsches Laufen, kannst du dir vieles kaputt machen!

Keine Frage, alles sorgt für eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Aber frage dich, ob die Art der Leistungsfähigkeit jene ist, die wir als Soldaten benötigen und unseren Körper auch langfristig gesund hält.

Was bringen dir 40kg SZ-Hantel Curls, wenn du nicht in der Lage bist dich mit einem Klimmzug vernünftig an einer Stange hoch zu ziehen. Ich spreche von ECHTEN Klimmzügen, nicht dem Sissikram, den hier viele fabrizieren.

Zuvor habe ich von Störungsmustern gesprochen. Unter Berücksichtigung des Gelenk zu Gelenk-Ansatzes in Verbindung mit dem Faszien-Distorsions-Modell gibt es nur eine Schlussfolgerung: Das Isolationstraining trägt nicht dazu bei, Störungsmusters zu bekämpfen. Noch weniger trägt es dazu bei, vorbeugend zu wirken.

Nicht ‚stark sein‘ macht eine starke Basis aus. Bewegungsfähigkeit und -vielfältigkeit sind deine starke Basis.

Jetzt habe ich dir erklärt, warum Soldaten falsch trainieren und was sie alles falsch machen. Abgesehen von einer kurzen und beiläufigen Erwähnung der CrossFit-Methodik ist dir noch immer unklar, wie Soldaten trainieren sollten? Wie du trainieren solltest? Darauf werde ich in den nächsten Zeilen ein wenig eingehen.

Die Assoziation ein Soldat ist stark, wenn er viel Gewicht bewegen kann ist für unser Anforderungsprofil eine falsch verstandene Assoziation.

Oftmals wird mit einer starken Basis auch übergewöhnlich viel Kraft in Verbindung gebracht. Die Begrifflichkeit Stärke assoziiert das.

Kraft stellt für deine Basis eine wichtige Komponente dar. Allerdings ist mit dieser Kraft nicht gemeint, dass du über 200kg Kreuzheben machen musst, um stark zu sein. Das sind für den Durchschnittssportler irrationale Werte und bedarf vor allem auch Zeit und Regelmäßigkeit.

Im Internet gibt es viele Sheets und Dokumente, welche einen Fitnesszustand definieren. Wenn wir auf Kraftübungen schauen, ist dabei oftmals die Rede von einem relativen Verhältnis zu deinem Körpergewicht.

Zu erwarten, dass du binnen kürzester Zeit so viel Engagement in dein eigenes Training steckst, dass du schnellstmöglich auf die Stufe Profi-Athlet kommst oder darüber hinaus, ist irrational. Ihr seid keine Powerlifter.

Nicht jeder Soldat ist Elitesoldat. Für deine Basis ist die Kniebeuge zur Steigerung deiner Kraft ein vorbildlicher Anfang.

Darum geht es auch gar nicht. Es ist auch nicht erforderlich in allen vier Grundübungen (Kreuzheben, Kniebeuge, Bankdrücken und Schulterdrücken) übermäßig stark zu sein.

Wichtig ist, dass du überhaupt in regelmäßigen Abständen an deiner Stärke arbeitest. Arbeite in regelmäßigen Abständen an einer tiefen Kniebeuge und fange an deine Stärke mit der Kniebeuge zu trainieren. Das wäre ein guter Anfang.

Die Verbesserung deiner Bewegung und den Beherrschungsgrad ist komplex. Das Training des Energiegewinnungsweges ist einfach und die Adaption schnell.

Neben der Verbesserung deiner Kraft als Basis sind Koordination und Bewegungsintelligenz weitere wichtige Komponenten. Die Vielfältigkeit der Bewegungen eines Soldaten bedürfen ein breites Bewegungsportfolio. Nur so bist du auf Eventualitäten vorbereitet. Arbeite deshalb mit dem Ansatz des Mobility Trainings an der Basis deiner Bewegungsintelligenz.

Kombinierst du beides, wirst du feststellen, dass es deinem Körper in verhältnismäßig kurzer Zeit bessergeht und sich deine Verletzungsanfälligkeit reduzieren wird.

Um deine Energiegewinnungswege brauchst du dir zunächst keine Gedanken zu machen. Die kannst du für irgendwelche Lehrgänge, Ausbildungen oder den Einsatz noch zeitnah genug vorbereiten. Das geht verhältnismäßig einfach und schnell. Den Beherrschungsgrad von komplexen und vielen verschiedenen Bewegungen aufzubauen, dass ist langwierig und schwer.

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