80-10-10 – Ein veganer Flop
In der letzten Woche habe ich eine Anfrage zu einem Thema erhalten. Besagter Leser hätte gerne ein Statement von mir zur 80-10-10 (Highcarb) Diät. Das muss an mir vorbei gegangen sein, doch scheinbar bekommt dieses Highcarb-Konzept derzeit immer mehr Aufmerksamkeit. Nun, ich will den Wünschen meiner Leser soweit es mir möglich ist gerecht werden, daher behandelt der Beitrag diese Woche genau dieses Thema.
80/10/10 blüht vor Schwächen!
Ich habe mir schon im Vorfeld des Schreibens des Beitrages ein paar Gedanken zu den wesentlichen Punkten gemacht und bei dem was in meinem Kopf so vor ging… ich muss ganz schön aufpassen, dass ich nicht zu drastisch-‚unfreundlich‘ schreibe. Ich kann euch vorne weg sagen: Dieses Konzept sprüht meiner Meinung nach nur so vor Schwächen. Diese Meinung ist als Verfechter des Lowcarb-Ansatzes gegenüber einem Highcarb-Ansatz aber nicht weiter verwunderlich. Trotzdem will ich euch meine Skepsis und Abneigung sachlich begründen und – wenn auch nicht immer – aus meinem Blickwinkel möglichst objektiv an diese Sache ran gehen.
80/10/10 steht für Highcarb – Lowfat – Lowprotein und ist ein veganer Ernährungsansatz.
Diese Ernährungsform steht für eine starke Kohlenhydratorientierte Ernährungsform und ist – soweit ich es bisher verstehe – ein veganer Ernährungsansatz. Dabei werden 80% der Gesamttageskalorien über Kohlenhydrate sowie 10% jeweils über Fett und Proteine zugeführt. Das von mir wahrgenommene Hauptargument besagt in etwa, dass das Fett daran schuld ist, dass der Zucker so lange im Blutkreislauf ist und der Mensch deswegen Fettpolster aufbaut. Auch Diabetes wird damit in Verbindung gebracht. Fragwürdig!
Low Fat ist ein bereits lange bekanntes Konzept welches meiner Meinung, meiner Erfahrung nach nicht gerade zum erwünschten Ziel führt. Bereits in den 80ern/90ern hat sich dieses Konzept – unter anderem über die staatlichen Institutionen kommuniziert – in den Köpfen der Menschen eingenistet. Schon damals wurde dem Fett die ansteigende Fettleibigkeit vorgeworfen und ein Zusammenhang mit u.a. schlechten Blutfettwerten (diese können eine Verfettung von Blutgefäßen bedeuten) hergestellt. Dabei sagt die Wissenschaft heute etwas anderes. Ganz nebenbei ist diese Entwicklung in den Ernährungsrichtlinien des späten 20. Jahrhunderts meiner Meinung nach heute der Grund warum viele Menschen – erfahrungsgemäß vor allem Frauen – schon fast Angst davor haben Fett zu essen obwohl man weiß, dass Fett ein wesentlicher Hormonproduzent UND – betrachte ich den Einfluss von Omega-3 Fettsäuren – für die Gesundheit nicht nur wichtig sondern essenziell ist.
„Der menschliche Körper läuft auf Glukose.“ Deswegen speichert er überschüssige Energie als Fett?

Vor allem habe ich das Video von CarbTheVeganUp genutzt um einen knappen Überblick über dieses Konzept zu erhalten. In seiner Argumentationskette pro Konzept bezieht er sich auf den auf Glukose ausgerichteten Organismus Mensch was für ihn das Argument ist, dass der Mensch eigentlich nur Kohlenhydrate benötigt. Eeehhmmm… Das steht mal in einer kompletten Gegenlogik zu dem was Barry Sears (Barry Sears – The Zone Diet Mehrteiler) herausgefunden hat, weshalb er das Konzept der Zone Diet ausgearbeitet hat, welches auf einer Gleichgewichtszufuhr zwischen Kohlenhydraten und Eiweiß aufbaut die weit unter 80/10 liegt (Verhältnis KH:EW – 1:0,7). Im Übrigen sind auch die Erkenntnisse von Barry Sears zeitlich gesehen nicht sonderlich neu. Seine Forschung hat er irgendwann in den 80ern betrieben. Ich stelle mir an dieser Stelle also die Frage ob sich besagte Person und besagter Personenkreis rund um diese Ernährungsform wirklich mit der Funktionsweise des Körpers, der intramuskulären Speicher (Fett- und Glukosespeicher – Buchempfehlung Das Prinzhausen-Prinzip), den Stoffwechselfunktionen und dem Hormonhaushalt auseinander gesetzt hat. Ja sicherlich im Blutkreislauf wird ZUCKER transportiert und unter anderem der Blutzuckerspiegel ist verantwortlich für die Leistungsfähigkeit des Körpers doch ist dieser nicht allein von der Kohlenhydratzufuhr abhängig. Das braucht an dieser Stelle auch nicht diskutiert werden.
Welche Berücksichtigung erhält in diesem Konzept das Glukagon bzw. allgemein der Katabolismus? Scheinbar keine!
In verschiedenen Artikeln wurde es bereits aufgezeigt. Vor allem in der Artikelreihe zur Vorstellung der Zone-Diet bin ich auf das Glukagon eingegangen. Wenn Eiweiß für den menschlichen Körper so unbedeutend wäre, hätte die Evolution wohl kaum ein eiweißabhängiges Hormon mit einer wesentlichen Funktion (der Funktion der ‚Freisetzung‘ bzw. dem Antrieb des Katabolismus) erschaffen. Das grenzt für mich schon fast an eine ignorante Engstirnigkeit. Diese Ernährungsform ist für mich ebenso fragwürdig wie ein Highprotein-Ansatz (mit einer Proteinzufuhr weit über 2,5g/kg Körpergewicht). An dieser Stelle muss ich aber gerechterweise festhalten, dass dem Katabolismus meiner Meinung nach allgemein (bei dem ‚Durchschnittsbürger‘ – was in keiner Weise als wertend zu verstehen ist) noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, obwohl die Tendenz Verbesserung verspricht.
“Der Mensch ist für das Tropenklima geschaffen.” Achso?
Ich bin mir echt noch nicht sicher ob er das ernst meinte oder – so wie ich hoffe – eigentlich nur ein Scherz gewesen ist. Ich bin aber davon überzeugt, dass es Menschen gibt oder geben wird, die diese Argumentation für voll nehmen. Dann dürften wir uns heute ja wohl kaum noch auf dem Planeten Erde befinden. Sicherlich ist es auffällig, dass die früheren großen Zivilisationen in warmen Gebieten (Mittelmeerregion) entstanden sind. Ich behaupte auch nicht, dass es nicht Vorteile mit sich bringt in solchen Regionen zu leben. Aber daraus den Schluss zu ziehen, der Mensch sei ursprünglich für diese Regionen geschaffen finde ich – allein evolutionsgeschichtlich – fragwürdig.

Highcarb – 80/10/10 – ist (k)ein fitness- und leistungsorientierter Ansatz
Vorneweg: Es wird immerhin differenziert, dass es nicht um Höchst- oder Spitzenleistungen geht. Auch kann man die Gegenfrage einwerfen, ob Muskeln mit einem fitnessorientierten Ansatz gleichzusetzen sind. Ja, diese Gegenfrage lasse ich gelten und sie ist sicherlich nicht generell mit JA zu beantworten. Doch stelle ich mir dabei folgende Frage: Wenn Muskeln für den Körper unwichtig wären, wieso hat er dann überhaupt welche? Wenn sie eine zweitrangige Rolle spielen wieso funktioniert unser Bewegungsapparat u.a. auf der Basis von Muskeln? Wieso erhalten Muskeln einen Wachstumsreiz, wenn sie schwere Arbeit absolvieren müssen? Ich spreche dabei nicht allein von dem Training mit freien Gewichten. Schaut euch doch einmal Sprinter an und diese trainiere nicht zwangsläufig mit freien Gewichten. Sicherlich auf Olympiaebene schon. Ich spreche von dem Freizeit-/Hobby-/Fitnessorientierten Sportler. Auch dieser Sportler wird durch ein Sprinttraining Wachstumsreize setzen. Und jetzt die wesentliche Frage die ich mir an dieser ganzen Geschichte stelle: Wenn Highcarb 80/10/10 ein fitnessorientierter Ansatz ist und Muskelwachstum durchaus auch etwas mit Fitness und Leistungsfähigkeit zu tun hat… WIESO habe ich noch nie bewusst einen starken, gut gewachsenen, leistungsfähigen und gesundaussehenden Menschen getroffen? Gut, ja, es gibt einen populären deutschen Mann, der sich vegetarisch bzw. vegan ernährt. Soweit mir aber bekannt ist, achtet er dabei aber auf eine gewisse Eiweißzufuhr die nicht bei 10% der Gesamttagesbilanz liegt. Ich lasse mich dabei gerne vom Gegenteil überzeugen. Bis dahin halte ich an der Fragwürdigkeit in Sachen Fitness-/Leistungsorientierung des Highcarb-Ansatzes 80/10/10 fest. Ich betone dabei noch einmal: Es geht nicht um einen stark hypertrophischen Körperbau.
Highcarb 80/10/10 in meinen Augen ein Flop
Zusammenfassend kann ich für mich festhalten – und das ist meine Überzeugung die ich an jeden weiter trage, der sich mit mir über das Thema auseinander setzen möchte – dass dieses Highcarb-Konzept mehr als fragwürdig ist. Ich erkenne darin eine rein extreme Ernährungsform. Fett wird wieder einmal als Bösewicht dargestellt obwohl die Wissenschaft – meines Erachtens nach – mittlerweile überwiegend einstimmig sagt, dass Fett eine wesentliche Bedeutung für den Organismus besitzt. Von mir aus können wir darüber diskutieren, welche Menge Fett vernünftig ist. Doch lasse ich nicht mit mir darüber diskutieren, dass ein 10%iger-Anteil an der Tagesbilanz schlicht weg zu wenig ist! Auch die Tatsache, dass der Körper auf Glukose „läuft“ wird wieder einmal eine „Überbedeutung“ zugeschrieben. Dass Kohlenhydrate aufgrund der einfachen Verbrennungsmöglichkeit für den Körper eine Daseinsberechtigung haben streite ich weder ab noch stelle ich es in Frage doch stelle ich die extrem hohe Menge in Frage, welche hinter diesem Konzept steht (vgl. dazu Fett als Leistungsoptimierer oder Fett im Ausdauersport).
Ebenfalls ist es doch sehr auffällig, dass neben den Hormonen welche durch Fett produziert werden, das Glukagon und seine Funktionsweise meiner Meinung nach allein durch die Tatsache des höchstens 10%-igen Eiweißanteils schlichtweg ignoriert werden. Wenn ich mit dem heutigen Wissensstand der Wissenschaft eine ausgewogene, gesunde und leistungsorientierte (sowohl geistig als auch körperlich) Ernährung praktizieren möchte kann ich diesen wesentlichen Funktionsträger unseres Organismus nicht in der Art ignorieren wie es bei diesem Konzept getan wird. Gerade das erachte ich als hochgradig gesundheitsgefährdend! Ich lasse gerne mit mir diskutieren ob eine vegetarische Ernährung, aufbauend auf pflanzlichem Eiweiß, nicht doch die bessere Alternative wäre. Ebenso ob es eher Sinn macht generell die Eiweißzufuhr zu Lasten der tierischen Quellen auf eher pflanzliche Quellen umzuschwenken. Auch sehe ich heute nicht mehr so das Problem darin, wenn in der Proteintageszufuhr nur noch 20 bis 30% über Fleisch zugeführt wird und der Rest über Milchprodukte oder pflanzliches Eiweiß doch generell darauf zu verzichten? Da sage ich klipp und klar NEIN! Und ich habe mit den heute aufgezeigten Argumenten nur an der Oberfläche gekratzt. Körperzellen, worauf bauen sie auf? Proteinen! Testosteron, ein Hormon das von tierischen Fetten abhängig ist. Die Funktionsweise des Stoffwechsels, die Frage der Energiegewinnung und Leistungserbringung und viele andere Argumente lassen sich in der Kürze dieses Beitrages (der übrigens schon weitaus länger ist als geplant) einfach nicht behandeln.
Einige letzte Empfehlungen
Abschließend lasst mich euch sagen: Wenn ihr euch aus einem Eigeninteresse heraus mit Ernährung auseinander setzt macht es durchaus Sinn nicht nur in die eine Eben zu schauen sondern auch ‚Grundlagenliteratur‘ aus anderen Ebenen zu betrachten. Ich spreche dabei nicht von hochwissenschaftlichen Texten. Auf dem Markt gibt es einige Bücher die wissenschaftliche Erkenntnisse gut und einfach verständlich zusammenfassen: HBN – Human Based Nutrition, Metabole Diät, Die Atkins Diät, Das Optimum: Die Sears Diätvon Barry Sears (oder Zone Diet), das Prinzhausen-Prinzip, das Logisch-Ernähren-Body-System, uvm. Natürlich, wer sich ein bisschen auskennt sagt jetzt „Das sind aber alles eher lowcarb orientierte System“. Ja, aber sorry… Das ist der Stand der Wissenschaft. Es geht auch nicht darum das Konzept zu adaptieren sondern die Vielfalt der Argumente kennenzulernen um sich aus der Masse der Argumente eine eigene Meinung bilden zu können.